Solche Streitgespräche hatten zwischen den beiden in diversen Variationen schon lange vor Vickis Wandlung stattgefunden. „Was ist? Bist du immer noch der Meinung, ich könne nicht selbst für mich sorgen?"
„Zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang nicht", gab Celluci sanft zu bedenken, womit er sich weigerte, in den Streit einzusteigen.
Vicki sackte zusammen. Leider Gottes hatte er total, absolut und unanfechtbar recht. Das ging ihr total gegen den Strich - nicht einmal so sehr die Tatsache, daß der Freund recht behielt, nein: So blieb eben nur gar kein Raum für einen zünftigen Streit.
Celluci wußte genau, was in Vicki vorging, und seine Mundwinkel zuckten, als er das Buch in die Hosentasche zurückschob.
Vicki trat vor, strich ihm eine überlange schwarze Haarsträhne aus der Stirn und murmelte: „Aber nachts stellt sich mir niemand in den Weg."
Eingehüllt in warme Dunkelheit, die so dicht war, daß sie sich über sie legte wie eine Decke aus schwarzem Samt, lag Vicki auf dem Bett, das so sehr einem Sarg glich, vibrierte im Takt mit dem sechszylindrigen Motor des Kleinbusses, der schon lange nicht mehr ganz der Beschreibung des Herstellers entsprach, und konnte die Sonne spüren. Die Haut zwischen ihren Schultern juckte. Zwei Jahre war sie nun Vampirin, und immer noch hatte sie sich an das Näherkommen des Tages nicht gewöhnen können.
„Es fühlt sich an wie diese allerletzte Sekunde, ehe dir jemand von hinten auf den Kopf schlägt: Du weißt, was gleich passiert und kannst nichts, gar nichts dagegen machen. Nur dauert es länger ..."
Diese Beschreibung hatte Celluci nicht gerade beeindruckt, und Vicki sah ein, daß sie ihm das kaum verdenken konnte - sie fand sie selbst auch nicht wirklich beeindruckend. Als Celluci in der Nacht den Kleinbus unter die hellste Lampe gefahren hatte, die er in einer Auffahrt fand, um ihn methodisch nach winzigen Löchern abzusuchen, wäre Vicki am liebsten aus der Haut gefahren, so sehr plagte sie das Bedürfnis, auf der Stelle ihre Zuflucht aufzusuchen. Celluci hatte ihren Beteuerungen, sie habe bereits alles genauestens geprüft, gar nicht zugehört. Aber Celluci war ja auch immer schon der Meinung gewesen, sie, Vicki, ginge unnötige und verrückte Risiken ein.
Risiken: Ja, die ging sie ein.
Verrückte Risiken jedoch nie!